Weihnachtsabend. I

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus, Weihnachten war´s; durch alle Gassen scholl Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, Drang mir ein heiser Stimmlein an das Ohr: “Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein Sah ich ein bleiches Kinderangesicht; Wes Alters und Geschlechts es mochte sein, Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß, Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien: “Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn Unterlass; Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? - War´s Ungeschick, war es die Scham, Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? Eh meine Hand zu meiner Börse kam, Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein, Erfasste mich die Angst im Herzen so, Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.

Weihnachtsabend. II

An die hellen Fenster kommt er gegangen Und schaut in des Zimmers Raum; Die Kinder alle tanzten und sangen Um den brennenden Weihnachtsbaum.

Da pocht ihm das Herz, daß es will zerspringen; »Oh«, ruft er, »laßt mich hinein! Was Frommes, was Fröhliches will ich euch singen Zu dem hellen Kerzenschein.«

Und die Kinder kommen, die Kinder ziehen Zur Schwelle den nächtlichen Gast; Still grüßen die Alten, die Jungen umknien Ihn scheu in geschäftiger Hast.

Und er singt: »Weit glänzen da draußen die Lande Und locken den Knaben hinaus; Mit klopfender Brust, im Reisegewande Verläßt er das Vaterhaus.

Da trägt ihn des Lebens breitere Welle Wie war so weit die Welt! Und es findet sich mancher gute Geselle, Der's treulich mit ihm hält.

Tief bräunt ihm die Sonne die Blüte der Wangen, Und der Bart umsprosset das Kinn; Den Knaben, der blond in die Welt gegangen, Wohl nimmer erkennet ihr ihn.

Aus goldenen und aus blauen Reben Es mundet ihm jeder Wein; Und dreister greift er in das Leben Und in die Saiten ein.

Und für manche Dirne mit schwarzen Locken Im Herzen findet er Raum; Da klingen durch das Land die Glocken, Ihm war's wie ein alter Traum.

Wohin er kam, die Kinder sangen, Die Kinder weit und breit; Die Kerzen brannten, die Stimmlein klangen, Das war die Weihnachtszeit.

Da fühlte er, daß er ein Mann geworden; Hier gehörte er nicht dazu. Hinter den blauen Bergen im Norden Ließ ihm die Heimat nicht Ruh.

An die hellen Fenster kam er gegangen Und schaut' in des Zimmers Raum; Die Schwestern und Brüder tanzten und sangen Um den brennenden Weihnachtsbaum.«

Da war es, als würden lebendig die Lieder Und nahe, der eben noch fern; Sie blicken ihn an und blicken wieder; Schon haben ihn alle so gern.

Nicht länger kann er das Herz bezwingen, Er breitet die Arme aus: »Oh, schließet mich ein in das Preisen und Singen, Ich bin ja der Sohn vom Haus!«

Die Stadt

Am grauen Strand, am grauen Meer Und seitab liegt die Stadt; Der Nebel drückt die Dächer schwer, Und durch die Stille braust das Meer Eintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai Kein Vogel ohn' Unterlass; Die Wandergans mit hartem Schrei Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei, Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir, Du graue Stadt am Meer; Der Jugend Zauber für und für Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir, Du graue Stadt am Meer.

Knecht Ruprecht

Von drauß' vom Walde komm ich her; Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! Allüberall auf den Tannenspitzen Sah ich goldene Lichtlein sitzen; Und droben aus dem Himmelstor Sah mit großen Augen das Christkind hervor; Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann, Da rief's mich mit heller Stimme an:

»Knecht Ruprecht«, rief es, »alter Gesell, Hebe die Beine und spute dich schnell! Die Kerzen fangen zu brennen an, Das Himmelstor ist aufgetan, Alt' und Junge sollen nun Von der Jagd des Lebens einmal ruhn; Und morgen flieg ich hinab zur Erden, Denn es soll wieder Weihnachten werden! So geh denn rasch von Haus zu Haus, Such mir die guten Kinder aus, Damit ich ihrer mag gedenken, Mit schönen Sachen sie mag beschenken.«

Ich sprach: »O lieber Herre Christ, Meine Reise fast zu Ende ist; Ich soll nur noch in diese Stadt, Wo's eitel gute Kinder hat.« - »Hast denn das Säcklein auch bei dir?« Ich sprach: »Das Säcklein, das ist hier: Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern Essen fromme Kinder gern.« - »Hast denn die Rute auch bei dir?« Ich sprach: »Die Rute, die ist hier; Doch für die Kinder nur, die schlechten, Die trifft sie auf den Teil, den rechten.« Christkindlein sprach: »So ist es recht; So geh mit Gott, mein treuer Knecht!«

Von drauß' vom Walde komm ich her; Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr! Nun sprecht, wie ich's hierinnen find! Sind's gute Kind, sind's böse Kind?

Storm Theodor

  • Дата рождения: 14 сен 1817
  • Дата смерти: 4 июл 1888 (70 лет)
  • Произведений в базе: 4

Theodor Storm war ein deutscher Schriftsteller und Lyriker, der dem literarischen Realismus zugeordnet wird. Er ist besonders bekannt für seine Novellen und Gedichte, die häufig die Landschaft und das Leben seiner norddeutschen Heimat thematisieren. Storms Werke zeichnen sich durch eine feinsinnige Beobachtungsgabe und eine tiefe Empfindsamkeit für die Stimmungen der Natur und die inneren Regungen des Menschen aus. Seine bekannteste Novelle, "Der Schimmelreiter", ist eine eindringliche Erzählung über den Kampf des Menschen gegen die Naturgewalten und das Schicksal. Storms Lyrik, geprägt von einer schlichten, aber ausdrucksstarken Sprache, reflektiert oft die Vergänglichkeit des Lebens und die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit. Er gilt als Meister der deutschen Kurzgeschichte und als einer der herausragenden Vertreter des poetischen Realismus.

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